Das so genannte VIVO-Gebäude hinter dem Kulturzentrum „Fabrik“ im Kerngebiet von Ottensen ist ein markantes Einkaufszentrum aus dem Jahr 2003. Der Gebäudekomplex wurde ursprünglich als ökologisches Einkaufs- und Dienstleistungszentrum errichtet und firmierte unter dem Namen „Ö“. Das Einkaufszentrum hatte jedoch von Anfang an mit Leerständen zu kämpfen und wird für den eigentlichen Zweck kaum noch genutzt.
Schulsenator Ties Rabe: „Ein Umbau ist wesentlich klimaschonender als ein Abriss und Neubau, da viele Baustoffe nach einem Abriss nur schwer recycelbar sind und die Produktion des Baumaterials für einen Neubau erhebliche Mengen Energie verbraucht und CO2 freisetzt. Der Schulbehörde und SBH Schulbau Hamburg gelingt es so in einem sehr dicht bebauten Stadtteil, in dem kaum alternative Flächen zur Verfügung stehen, an sehr zentraler und gut erreichbarer Stelle eine attraktive, neue Schule zu schaffen, die anderweitig wohl nicht realisierbar gewesen wäre.“
Finanzsenator Dr. Andreas Dressel: „Das ehemalige VIVO-Gebäude ist schon seit Jahren kein Einkaufszentrum mehr, sondern wird anderweitig genutzt – auch von städtischen Akteuren. Unter anderem die zur Finanzbehörde gehörende Kasse.Hamburg hat nun Platz gemacht für die neue Verwendung als Schule. Das Gebäude wurde bisher von Sprinkenhof verwaltet und geht somit von einer städtischen Nutzung in eine andere über. Diese hervorragende Lösung für den dicht besiedelten Stadtteil zeigt, dass es möglich ist, sinnvolle und innovative Umnutzungen auch im Bestand zu realisieren.“
Mandy Herrmann, Geschäftsführerin von SBH | Schulbau Hamburg: „Wir bringen viel Erfahrung beim Umbau von Schulnutzung zu Schulnutzung mit. Die spannende Aufgabe, jetzt ein ehemaliges Einkaufszentrum für eine Stadtteilschule zu revitalisieren, nehmen wir gerne an. Das Gebäude bringt aus der Ursprungsplanung bereits viele gute Ansätze mit, mit denen wir gut planen können. Das Projekt hat das Potenzial, nicht nur in Hamburg sondern auch bundesweit Strahlkraft zu entfalten und als Vorbild für andere Kommunen zu dienen.“
Die Größe und die Lage des Einkaufszentrums erleichtern die Umwandlung in eine Schule. Denn das Gebäude wurde bereits vor 20 Jahren sehr hochwertig gebaut und ist in einem guten Zustand. Es hat eine offene und flexible Struktur in den einzelnen Geschossen, die großes Potenzial zur Umnutzung zu einer Stadtteilschule bietet. Mit seiner kompakten, gläsernen Bauweise, Regenwassersammlung, Betonspeicherdecken und trennungsfähigen Materialien erfüllt der Altbau bereits die Standards für nachhaltiges, recyclinggerechtes Bauen.
Um dem Anspruch an Nachhaltigkeit im Umgang mit dem Bestand gerecht zu werden, wird mit den vorhandenen Flächen und Materialien gearbeitet und Abriss weitgehend vermieden. Notwendige Erneuerungen – beispielsweise ein erhöhter Schallschutz und weitere Fluchttreppen – werden konzeptionell entwickelt und ergänzt.
Michael Specht, projektleitender Architekt (agn Leusmann): „Das Gebäude ist ein echter Zeitzeuge und Stadtbaustein in Ottensen, der erhalten bleiben muss. Deswegen setzen wir uns im Planungsprozess für den maximalen Erhalt des Gebäudes ein. Das umfasst auch die Nachnutzung von Bauteilen und Materialien getreu dem Urban-Mining-Prinzip. So sollen unter anderem Trapezbleche und Stahlprofile aus dem Rückbau des Staffelgeschosses zur Errichtung von Pergolen als Witterungsschutz auf dem späteren Dachgarten verwendet werden. Außerdem werden beispielsweise Bestandstüren katalogisiert und später zu mobilen Trennwandelementen umfunktioniert.“
Das Einkaufszentrum hat eine Grundstücksgröße von 12.200 m² und eine bebaute Fläche von 9.300 m². Mit einer Bruttogeschossfläche von rund 36.000 Quadratmetern ist das Gebäude selbst für eine Schule schon fast zu groß. Trotz der eng bebauten Innenstadtlage kann die neue Schule ihren Schülerinnen und Schülern viel Bewegungsmöglichkeiten und Pausenflächen auf insgesamt bis zu 10.000 m² anbieten.
Freiflächen für die Schulhofnutzung stehen zwar nur begrenzt zur Verfügung, aber die Flachdachflächen und Bereiche im sehr großen Atrium können ebenfalls genutzt werden, um Angebote an Pausen-, Erholungs-, Bewegungs- und Freizeitbedürfnissen der Schülerschaft zu machen. So stehen 2.900 m² Außenfläche im Erdgeschoss sowie rund 3.800 m² Außenfläche auf den Dächern zur Verfügung. Besonders einladend ist die überdachte Atriumfläche im Inneren des Gebäudes mit rund 1.500 m² und einer angegliederten Bewegungsfläche von 700 m², aber auch die Galerieflächen der Obergeschosse mit 1.700 m².
Britta Heils, Gründungsschulleiterin der Stadtteilschule Ottensen: „Das Zusammenspiel der räumlichen Gegebenheiten dieses Gebäudes mit der Pädagogik der Stadtteilschule Ottensen ist bemerkenswert. Die Transparenz und Offenheit z.B. des Atriums finden sich in den pädagogisch-didaktischen Grundgedanken der entstehenden Stadtteilschule Ottensen als Schule des 21. Jahrhunderts mit offenen, flexiblen Lernflächen zur multifunktionalen Nutzung, mit handlungsorientiertem und digitalem, fächerübergreifendem Lernen, mit Kooperationen aus dem Stadtteil in die Schule hinein und aus der Schule heraus. Die Zukunft braucht weltoffene, politisch-kompetente und handlungsfähige Menschen, denen wir vertrauen, mit Gestaltungskompetenz und -willen, die sich für nachhaltige und soziale Lösungen einsetzen, lokal und global. Die Stadtteilschule Ottensen wird ein Lern- und ein Lebensort sein, whole school approach durch und durch, eine Schule, in der die 17 SDG gelebt werden´
Senator Rabe: „Auch wenn ein formeller Beschluss der direkt gegenüber liegenden Grundschule Bahrenfelder Straße noch ansteht, so plant deren Schulgemeinschaft bereits einem Zusammenschluss mit der neuen Stadtteilschule, so dass beide Schulen voraussichtlich eine so genannte Langformschule von der Vorschule über die Grundschule bis zur 13. Klasse bilden und alle Schulabschlüsse anbieten werden.“
Hintergrund: Schulregion 4 Altona, Ottensen, Bahrenfeld
In der Schulregion 4, die die Stadtteile Altona, Ottensen und Bahrenfeld umfasst, ist die Anzahl der Erstklässlerinnen und Erstklässler von 1.003 in 2016 auf 1.213 im laufenden Schuljahr 2022 gestiegen, also um 20 Prozent innerhalb von nur sechs Schuljahren. Hinzu kommen Wohnungsbauprojekte in der Region, die zusätzliche Grundschülerinnen und -schüler für rund 11 zusätzlichen Parallelklassen bis zur Mitte des nächsten Jahrzehnts erwarten lassen (u.a. Großprojekte wie die Neue Mitte Altona, Science City).
Daher entstehen in der Region 4 sowohl Schulerweiterungen als auch -Neugründungen. So werden mit dem Struensee-Gymnasium und dem deutsch-französischen Gymnasium (DFG) an der S-Bahn-Station Königstraße ab 2025 zusätzliche Schulen mit insgesamt acht Parallelklassen pro Jahrgang gebaut. Zudem wird mit der Gründung der ersten Campus-Stadtteilschule in Altona nahe der Eckernförder Straße ab dem kommenden Schuljahr 2023/24 eine flexible 7-zügige weiterführende Schule gegründet, die Platz bietet sowohl für Stadtteil- als auch Gymnasialschüler. Zudem wird auch die Stadtteilschule Altona durch einen Neubau in der neuen Mitte Altona ihre Kapazitäten erweitern.
Darüber hinaus ergibt sich ein zusätzlicher Bedarf durch das Wachstum der Region im Stadtteilschulbereich im westlichen Bereich der Region 4 (Bereich Ottensen), wo ebenso große Wohnungsbauquartiere (Euler-Hermes-Gelände, Kolbenschmidt-Quartier) in Umsetzung sind. Hier werden perspektivisch die Kapazitäten der Max-Brauer-Stadtteilschule nicht ausreichen, so dass die neue 5-zügige Stadtteilschule Ottensen für ausreichend Schulplätze für die Schülerinnen und Schüler der Region sorgen wird.
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Prozess der Schulneugründungen
Die Gründung von bis zu 44 neuen Schulen sowie die starke Vergrößerung einzelner Schulen stellt einen umfangreichen und komplexen Prozess dar, der weit über bauliche Fragen hinausgeht. Um die vielen Schulneugründungen zu organisieren, hat die Schulbehörde erstmals eine eigene Schulaufsichtsbeamtin nur für die Gründungsschulen eingesetzt.
Bislang wurden Neugründungen von der jeweils regional zuständigen Schulaufsicht betreut. Doch die Gründung einer neuen Schule erfordert mittlerweile ein so umfangreiches Knowhow im Bereich der Schulbauprozesse, der Personalfindung und Personalführung sowie im Bereich der Pädagogik und Schulkonzeption, dass die neuen Aufgaben an einer Stelle gebündelt wurden. Die neue Gründungsschulaufsicht agiert übergreifend und koordiniert die verschiedenen fachlichen Zuständigkeiten über den Start des Schulbetriebs hinaus. Sie entwickelt gemeinsam mit den Schulleitungen ein Qualitätsmanagementkonzept der Schule und schließt Ziel- und Leistungsvereinbarungen ab, die Teil des Schulprogramms sind und das Profil der Schule ausbilden,
So sucht die Gründungsschulaufsicht in der Regel schon einige Jahre vor dem Start der neuen Schule geeignete Schulleitungen aus und sorgt für die entsprechenden Qualifizierung. Die Gründungsschulleitung stellt sich ein Team von Lehrkräften zusammen, das den Schulbetriebs vorbereitet. Die Phase bis zur Aufnahme des Schulbetriebes wird dann intensiv für die pädagogische und räumliche Konzeption der neuen Schule genutzt. Das beginnt schon bei der Grundstückssuche und der Bauplanung. Das Besondere: Das künftige Schulleitungsteam hat erhebliche Mitgestaltungsmöglichkeiten beim neuen Schulgebäude.
Programm „Hamburg wächst mit seinen Schulen“
Um Neu- und Ausbau der Hamburger Schulen professionell zu gestalten, hat die Schulbehörde zusätzlich ein umfassendes Unterstützungsprogramm unter dem Claim „Hamburg wächst mit seinen Schulen“ aufgelegt. Der Claim „Hamburg wächst mit seinen Schulen – Programm 2030“ wurde dafür eigens entwickelt, um die besondere Dimension des Gesamtprojekts und seine Bedeutung für die Stadt Hamburg herauszustellen. In das Unterstützungsprogramm werden auch stark wachsende Schulen aufgenommen. Im Rahmen des Programms unterstützt die Agentur für Schulberatung im Landesinstitut für Lehrerbildung neue und wachsende Schulen durch digitale Angebote auf der Lern- und Schulplattform LMS/Moodle, beispielsweise Informationen, Materialien, Checklisten und Kontaktdaten, durch ein breit gefächertes Fortbildungsangebot mit Zukunftswerkstätten, Workshops und Tagungen mit Expertinnen und Experten, durch schulindividuelle Beratungsgespräche, die Vermittlung von Beraterinnen und Beratern sowie durch Netzwerkveranstaltungen und Hospitationsmöglichkeiten.
Hintergrund: der neue Schulentwicklungsplan
Im September 2019 hatte Schulsenator Rabe den neuen Schulentwicklungsplan vorgelegt. Er sieht die Neugründung von bis zu 44 staatlichen Schulen vor: 21 Grundschulen, sieben Gymnasien, 13 Stadtteilschulen sowie drei weiterführende Schulen, deren Schulform zunächst nicht festgelegt war. Bis zu sieben der 13 neuen Stadtteilschulen sollen zusätzlich auch Gymnasialklassen nach dem Modell der Campus-Stadtteilschule führen. Darüber hinaus sollen über 120 bestehende Schulen erweitert werden. Der Schulentwicklungsplan war notwendig geworden, weil das Statistikamt Nord eine deutliche Steigerung der Schülerzahlen von 195.000 im Jahr 2019 auf 240.000 bis zum Jahr 2030 prognostiziert hatte.
Schulsenator Rabe: „Der Schulentwicklungsplan ist kein starres Korsett, sondern wird fortlaufend weiterentwickelt und angepasst. Manche Schulregionen wachsen schneller als ursprünglich prognostiziert, andere langsamer. Dementsprechend werden die Schulplanungen angepasst, Ausbaupläne vergrößert oder verkleinert, neue Schulen in den Plan aufgenommen, die ursprünglich gar nicht vorgesehen waren. Da an vielen Standorten auch Grundstücksflächen oder Immobilien angekauft werden müssen, steht und fällt eine Planung damit, ob und wann sich ein Ankauf realisieren lässt.“
Für das Schuljahr 2024/25 steht die Neugründung von insgesamt sieben Schulen an, davon zwei Grundschulen, zwei Gymnasien, zwei Stadtteilschulen sowie eine weitere Campus-Schule (also Stadtteilschule mit Gymnasialzweig):
- Campus Hebebrandstraße (City Nord), Stadtteilschule mit Gymnasialzweig
- Fanny-Hensel-Schule (Grundschule in Barmbek-Süd)
- Gymnasium Neugraben
- Gymnasium im Eilbektal (Eilbek)
- Stadtteilschule In den Reethen (Neugraben-Fischbek)
- Stadtteilschule Osterbek (Bramfeld)
- Schule Eschenweg (Grundschule in Fuhlsbüttel)
Weitere Schul-Neugründungen zwischen 2025 und 2029:
- Grundschule Isestraße (Harvestehude), ab 2025
- Grundschule Wandsbek-Süd, ab 2025
- Campus Schnelsen, voraussichtlich ab 2025
- Gymnasium Billwerder Straße (Bergedorf), ab 2026
- Stadtteilschule Leuschnerstraße (Lohbrügge), ab 2026/27
- Grundschule Sander Damm (Bergedorf), ab 2027
- InselCampus Wilhelmsburg, ab 2027
- Stadtteilschule Ottensen (Vivo), ab 2027
- Stadtteilschule Buckhorn (Volksdorf), ab 2029
Schulentwicklungsplan 2019: www.hamburg.de/schulentwicklungsplan
Schulinformationssystem: www.hamburg.de/schulinfosystem/
Agentur für Schulberatung: https://li.hamburg.de/beratung/themen-aufgabengebiete/agentur-fuer-schulberatung
Quelle: Einmaliges Projekt: Vom Öko-Einkaufszentrum zur Stadtteilschule – hamburg.de